In Memoriam Lars Weitze ("Chromi")
“Ich bin nicht tot. Ich tausche nur die Räume ...”(Michelangelo Buonarotti) Wenn wir leise sind, hören wir es vielleicht. Nur ein Flüstern. Er hat sich nie in den Vordergrund gedrängt. Ein leiser Trost, damit wir nicht traurig sind. Ich bin nicht weg, flüstert uns da einer zu, und, ja, es könnte seine Stimme sein. Denn, Chromi war nicht nur ein wunderbarer und wertvoller Mensch, sondern wirklich aussergewöhnlich. Lars Weitze (“Chromi”) starb am Samstag, den 4. Juni, infolge eines tragischen Unfalls in seiner Wiener Wohnung mit nur 31 Jahren. Die Nachricht traf uns wie ein Schock. Unvorstellbar, dass er wirklich fort gegangen war, dass er nicht mehr bei uns sein könnte. Vielleicht, weil er zu den Menschen gehörte, die immer schon mit einem Bein und Auge auch in anderen Welten unterwegs waren. Vielleicht ist er jetzt dort, in der besten aller Welten. Wir wünschen es ihm. Erstaunlich an ihm war vor allem, dass er so viele Gegensätze in sich vereinte und dabei immer authentisch wirkte. Er war ein echter Freigeist, offen und neugierig, auch für die dunklen Seiten der Seelen und Mächte, dabei jederzeit mutig und bereit, sein Schwert zu zücken und für die Freiheit zu kämpfen, auch für die Freiheit Andersdenkender. Esoterische Glaubenslehren, Kabbala, Tarot, Rituale oder Heidentum interessierten ihn ebenso wie Linux, 3D-Grafikprogrammierung, Netzwerke, japanische Kultur und Kampfkunst. In ihm verband sich Spiritualität mit Technik, rationell-logisches mit mystischem Denken. Dabei wirkte er nie weltfremd, im Gegenteil. Er scheute sich nie davor, Verantwortung zu übernehmen, ob im Vorstand des Kölner CCC (2000-2004), in seinem gesellschaftspolitischen Engagement oder privat. In diesem Sinne war er ein echter Ritter des 21. Jahrhunderts. Ein Linux-Ritter, Polygon-Jäger und Pixel-Samurai. Sein dramatisch-dunkel-romantisches Image hat Chromi stets liebevoll gepflegt. Als er zum ersten Mal 1998 im Kölner Chaos auftauchte, in seinem schwarzen, langen Mantel, mit Hut, Dolch und Bart, und als “ChromeDemon” auftrat, war er wohl selbst überrascht, dass sich keiner vor seiner wilden Figur fürchten wollte oder ablehnend reagierte. Er fühlte sich bei uns zuhause und unterstützte viele Projekte, wie das Hackschiff, Subether-Radio, die Netzzensur-Demo, kümmerte sich um Videoaufnahmen, Netzwerkstrukturen und unser seelisches und leibliches Wohl. Denn er war auch ein ausgezeichneter Koch und Gastgeber. Wir waren traurig, als er nach Wien umzog, und freuten uns über seine Pläne, wieder nach Köln zurück zu kehren. Niemand hätte damals gedacht, dass es ein Abschied für immer sein könnte. Zuletzt hatte er aus seinem Namen den “Demon” gestrichen und sich nur noch “Chrome” genannt. Der Bezug zu William Gibson war nicht unbeabsichtigt. Eines seiner spannendsten Projekte hiess “3dsia”. Es war der Versuch, eine “Virtual Reality Shell” zu erschaffen, eine komplett intuitiv bedienbare 3D-Benutzeroberfläche. Das Projekt wurde leider 2001 abgebrochen, liegt aber immer noch bei threedsia.sourceforge.net. Im Cyberspace, so Gibson, werden Differenzen aufgehoben zwischen Leben und Tod, und Ausgänge nach beiden Seiten geschaffen. Im Jabber-Client war Chromi noch bei uns, seit Samstag “away”, “arbeiten”, hatte er noch geschrieben. Vielleicht wurde er anderswo gebraucht, für einen Kampf, der nicht auf Erden ausgetragen wird. Irgendwann setzte ihn dann das System um auf: “xa due to idle” (extended away due to idle) Er wird im Netz weiter leben, mit seinen Projekten, Bildern, Filmen und Zitaten. In unseren Erinnerungen. Und Herzen. Wir vermissen dich, Chromi. Pass gut auf dich auf. Wo immer du auch sein magst. (Nika und Jens, für den Kölner CCC) Erste Spurensammlungen ...
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