Solidarzuschlag für die Telekom

(CCC) Als "Solidarzuschlag zur Privatisierung, getarnt durch Kundenverwirrung" bezeichnete Andy Müller-Maguhn, Sprecher des Chaos Computer Club, die bevorstehende Erhöhung der Telefongebühren durch das Monopolunternehmen Telekom. Die Wandlung vom Staatsbetrieb zum Monopolunternehmen und die so begünstigte Ausbeutung der Kunden sei "eine politische und wirtschaftliche Dreistigkeit", sagt Müller-Maguhn.

Auf dem diesjährigen Chaos Communication Congress in Hamburg übten die Teilnehmer scharfe Kritik am geplanten "Tarifkonzept 96". Die Verteuerung des Telefonierens um bis zu 160% vor allem im Ortstarif trifft "die Schwächsten am Stärksten", sagte Wau Holland (44), der legendäre Alterspräsident des Clubs. Insbesondere alte Menschen hätten unter den drastischen Verteuerungen zu leiden.

Das "Tarifkonzept 96" wird die Bundesrepublik auf den Stand der digitalen Steinzeit zurückkatapultieren, prognostizierte ein anderer Teilnehmer des Congresses. Einig waren sich die Congressbesucher bei der Einschätzung, daß sich die Telekom durch die Erhöhung wohl noch ein finanzielles Fettpolster zulegen wolle, zwei Jahre vor dem Ende ihres Monopols am 1. Januar 1998.

Abgesehen von den Zweifeln, ob die vierstelligen Einheitenzähler der Kunden für die neuen Tarife überhaupt ausreichen, bemühten sich einige Congressteilnehmer darum, auch die positiven Aspekte der Tariferhöhung zu würdigen, etwa eine zu erwartende Belebung des Nachtlebens selbst in der Provinz durch die nächtlichen Billigtarife.

Familienväter werden sich fragen müssen, ob sie sich eine verliebte Tochter in Zukunft überhaupt noch leisten können - einige von ihnen haben sich bereits auf dem Congress nach den sogenannten "Wunderkarten" erkundigt, mit denen man unbegrenzt viel telefonieren könne. In Tschechien werden diese Karten zur Zeit für 250 DM pro Stück verkauft.

Der 12. Chaos Communication Congress, bei dem sich Hacker und Haecksen aus ganz Europa im Eidelstedter Bürgerhaus versammeln, findet dieses Jahr unter dem Motto "Pretty Good Piracy" statt. Er dauert noch bis zum Freitag, den 29. Dezember 1995

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Michael Rademacher, 28.12.1995