Eine Buchbesprechung von von Steven Levys Buch Hackers und gleichzeitig eine kleine Etymologie des Wortes Hacker.
Standartwerke, wie Steven Levys Buch, zu besprechen, ist immer eine nicht ganz einfache Sache: zum einen verfällt man leicht in den Fehler, zu sagen, einfach jeder solle dieses Buch gelesen haben und man den Inhalt deshalb ja nicht weiter erörtern müsse. Das andere Extrem liegt darin, den Inhalt des Buches komplett nachzuerzählen, da dieser ja jenes Standardwissen beinhaltet, welches man vermittelt sehen möchte. Ich werde wohl in das zweite Extrem verfallen.
Der Begriff Hacker ist in den letzten 15 Jahren sehr schillernd
im Licht der Öffentlichkeit präsentiert worden. Dies geschieht
in der Regel durch Journalisten, die selber nur einen sehr
beschränkten Überblick darüber haben, wovon sie berichten. Diese
Journalisten bezeichnen mit Hackern in der Regel
Datendiebe, die auf für die Breite Masse unverständliche Weise
Manipulationen an EDV-Systemen vornehmen. Verstärkt wird das
ganze durch unsägliche Bücher, wie Christian Zimmermanns Der
Hacker oder das Machwerk Hackerland zweier Kölner
Dachkammerbewohner.
Auch als Hacker bezeichnen sich viele
meist männliche, meist in der Pupertät stehende Wesen, die mit
ihrem Computer mehr machen als ihre Mitschüler. In der Regel
bezieht sich dieses "mehr machen" allerdings nur darauf, andere
im Chat zu belästigen oder als Höhepunkt der Kunstfertigkeit
einen Telnet-Login auf irgendeiner ungesicherten Maschine zu
erlangen.
Mit all dem beschäftigt sich Levy nicht. Sein Buch erschien schon 1984, als die meisten Journalisten das Wort Hacker noch nicht gehört hatten und die Hacker selbst weitgehend von der Öffentlichkeit unbelästigt blieben.
Levy beschreibt, wo der Begriff Hacker herstammt, welche Menschen das Hackertum predigten und was ihre ethischen Grundsätze waren. Eine Pflichtlektüre für jeden Nachwuchs-wohlmöglich-Hacker.
Das Hackertum nahm seinen Ausgang am MIT. Dort gab es den Tech Model Railroad Club (TMRC). Dieser Club betrieb eine gigantische Eisenbahnanlage. Innerhalb des Clubs gab es eine S&P (Siganling and Power) Abteilung, denen der ganze Eisenbahnkram wohl ehr unwichtig war und die sich stattdessen mit dem Bau unglaublich komplexer Steuersystame für die riesige Eisenbahnanlage befaßten. Hier entstand der Begriff Hack für einen technischen Kniff und eine ganze Reihe anderer Begriffe, die die Basis des Hackerslangs wurden. Mitglieder des TMRC machten sich daran, die Ausläufer des Rechenzentrums zu erkunden. An die heiligen Großrechner selbst durften Normalsterbliche zu jener Zeit nicht, aber bald traf der erste moderne Computer im MIT ein, die TX-0. Wann immer möglich nutzten die frühen Hacker Leerlaufzeiten der TX-0 um daran zu programmieren. Später kam eine PDP-1 dazu mit der auch der Umzug der Hacker in das Labor für künstliche Intelligenz (AI-Lab) begann.
Im AI-Lab konnten die Hacker mehr oder weniger tun und lassen, was sie wollten und entwickelten den Hackerstil und die Hackerethik. Diese wurden nicht expliziet niedergelegt, werden aber von Levy folgendermaßen zusammengefaßt:
Diese Maximen wurden von den Hackern im AI-Lab voll ausgelebt. So begann dort die lange Tradition des Lock-Pickings, denn wenn ein Raum verschlossen war, in dem sich ein Werkzeug befand, daß zum Hacken nötig war, war und ist es nach der Hackerethik legitim, in diesen Raum auf nicht dafür vorgesehene Weise einzudringen, um das Werkzeug zu beschaffen.
Das AI-Lab bewahrte über sehr lange Zeit hinweg seinen Charakter als der zentrale Punkt des Hackertums. Hier nahmen Legenden wie Spacewar oder Emacs ihren Lauf. Hier wurde die Ideologie des Hackertums geprägt und gelebt und unglaubliche Hacks vollbracht. Beispielsweise traf sich eine "Midnight Computer Wiring Society" um nachts die vorhandenen Computer umzuverdrahten mit dem Zweck ihnen neue Maschinensprachebefehle beizubringen. Hier wurde letztendlich die GPL erdacht, die den Programmcode aus den Händen der Softwarekonzerne befreien sollte.
In den 70ern entstand eine weitere und doch ganz andere Hackerkultur. Diese Menschen bezeichneten sich selber nicht als Hacker und doch hatten sie die gleichen Ideale und die gleiche Passion, wie die Hacker im AI-Lab. Im Gegensatz zu den MIT-Hackern, die in ihrer universitären Zitadelle recht fern ab von dem Rest der Welt lebten, hatten weite Teile dieser Hacker das Verlangen, den Computer zu den Menschen zu bringen, um damit gesellschaftlich etwas zu bewegen.
Kristallisationspunkt hierfür war der "Homebrew Computer Club". Hier ging es darum, sich selbst Computer zu verschaffen; will heißen: sich selber welche zu bauen und die Informationen darüber, wie dies zu bewerkstelligen ist, auszutauschen. Aus dem Homebrew Computer Club ging die Idee des PCs und der Altair sowie der Apple I, die beiden ersten Homecomputer, hervor.
Nachdem die ersten Homecomputer eine gewisse Verbreitung gefunden hatten, begannen Menschen diese Maschinen weit über daß Maß, das ihre Entwickler geplant hatten, auszureizen. Die geschah in der Regel mit Computerspielen. Die Spielehacker entlockten der Hardwre ungeahnte Spezialeffekte oder sie entlockten der Hardware, die Geheimnisse und schafften es zum Teil gegen den Widerstand der entsprechenden Hersteller, die Versuchten die Spezifikationen ihrer Geräte geheim zu halten, eigene Software für diese Systeme zu entwickeln.
Zu beginn war diese Szene sehr offen und von der Hackerethik getragen. Doch schon bald zeigte sich, daß Spielesoftware zu einem unglaublichen Markt wurde. Während zu Beginn die Brüderschaft der Spieleentwickler noch Information frei fließen ließ, sich gerne gegenseitig aushalf und Code tauschte vergifteten bald komerzielle Zwänge das offene Klima.
Das Buch schließt 1983 mit dem Letzten Hacker, der tragischen Figur von Richard Stallmann. Die Hackerkultur im AI-Lab des MIT war zu diesem Zeitpunkt ausgestorben. Viele der MIT-Hacker arbeiteten in Firmen und lebten nichtmehr das Ideal vom unbeschränkten Informationsfluß. Software war größtenteils proopeietaer und für den Benutzer nicht einzusehen.
Was soll ich zu dem Buch sagen? Wenn man etwas wichtiges sagt, dann ist es eigentlich nicht so wichtig, wie es gesagt wird. Levys Buch ist jedenfalls angenehm zu lesen und hat kaum längen, die den Leser langweilen. Als Hacker sollte man an vielen Stellen voll Begeisterung sein und am liebsten gleich mithacken wollen. Etwas überschwänglich schildert er vielleicht die Spieleszene der frühen 80er, die sich doch sehr schnell von den Hackeridealen entfernt hat.
1994 hat Levy ein erweitertes Nachwort geschrieben, in dem er kurz auf die Rezeption des Begriffes "Hacker" in den Medien eingeht und beschreibt, was die "Stars" aus seinem Buch heute treiben.
Alles in allem ein sehr empfehlenswertes Buch, das für das Verständnis des Begriffes Hacker wohl praktisch unerläßlich ist. Das Buch ist in sehr gut verständlichem Englisch geschrieben, so daß jeder mit einem gewissen Maß Schulenglisch mit dem Text zurechtkommen sollte.
Prädikat: Darf wirklich in keiner Bibliothek fehlen.
Steven Levy
Hackers - Heroes of the Computer Revolution
Penguin Press 1984, 1994
ISBN 0-14-02...
340 Seiten
ca. 7 US$
oder:
dell 1985
ISBN: 0-440-13405-6
5.99 US$
oder:
Delta Books 1994
ISBN: 0385312105
$12.95
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