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07/27/2001 Archived Entry: "Haben wir den Kampf um Freiheit verloren?"

Haben die Konzerne inzwischen die Demokratie komplett Ausgehoelt und nur eine Fassade hinterlassen? Oder werden sie das zumindest in naechster Zeit tun? Andreas Bogk meint ja.

Telepolis schreibt:

Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit hat der EU-Ministerrat im April die Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft verabschiedet. Diese wird zu einer erheblichen Ausweitung der urheberrechtlichen Monopolrechte führen - auf Kosten des "free flow of information".

Also ich weiss ja nicht, wie es euch so geht, aber ich kriege langsam echt genug.

Dass die USA ein faschistischer Polizeistaat ist, in dem die verfassungsmaessigen Rechte der Buerger weniger wert sind als die Gewinne der Medienkonzerne, wissen wir nicht erst seit der Verhaftung von Skylarov. Aber jetzt ist es so sichtbar, dass ein Blinder es sieht, und die Konsequenzen so drastisch, dass ich dieses Land nicht mehr besuchen kann.

Dass die Gesetze in Europa hauptsaechlich durch Lobbyarbeit und Bestechung zustandekommen, ist ja auch nicht neu. Aber langsam wird sichtbar, in welchem Ausmass das passiert, und wie wenig die demokratische Kontrolle ueber diesen Prozess funktioniert. Jetzt kriegen wir ein Gesetz, dass das Recht auf Privatkopien abschafft, und Umgehungswerkzeuge unter Strafe stellt. Toll.

Ist euch eigentlich klar, was das bedeutet? Demnaechst wird es nicht mehr moeglich sein, private Archive aufzubauen. Das bedeutet, dass die Geschichtsschreibung zentralisiert wird, und der Manipulation der Geschichte Tuer und Tor geoeffnet werden. Wer 1984 gelesen hat, darf an dieser Stelle eine Gaensehaut kriegen.

Was mir Angst macht, ist die weitgehende Ignoranz gegenueber der Gefahr des Zusammenbruchs der Demokratie. Offensichtlich sind viele Leute der Meinung, da ja alle diese Gesetze auf demokratischem Wege (mehr oder weniger, siehe Bestechungsskandal) zustandegekommen sind, wird uns die Demokratie auch erhalten bleiben. Wie schnell die Abschaffung von Demokratie und Rechtsstaat gehen kann, zeigen aber die aktuellen Ereignisse in Italien, wo Journalisten willkuerlich verhaftet und gefoltert werden, Hunderte von Demonstranten ohne rechtliche Grundlage festgehalten werden.

Und waehrenddessen deckt in Deutschland die neue Regierung die Verbrechen der alten Regierung, werden Demonstrationsteilnehmern von der Polizei die Radios abgenommen, den Geheimdiensten mehr Rechte zur Bespitzelung der eigenen Buerger eingeraeumt, und die Reisefreiheit abgeschafft.

Ich weiss, dass es vor allem fuer Wessis, die in ihrem Leben noch keinen Wechsel des Gesellschaftssystems erlebt haben, schwierig ist, den Verlust der Demokratie als reale Bedrohung wahrzunehmen. Tja, wir haben damals in der DDR zwar gehofft, aber auch irgendwie nicht geglaubt, dass sich etwas aendern wird. Dann ging ploetzlich alles sehr schnell.

Und eins muss man den letzten Machthabern in der DDR zuerkennen: sie haben den Anstand besessen, die Leute, die auf die Strasse gegangen sind, nicht zu erschiessen.

Es ist an der Zeit, die Demokratie in diesem Lande, in Europa und auf der Welt zu verteidigen, mit dem noetigen Ernst und mit den noetigen Mitteln. Momentan koennen wir vielleicht noch etwas erreichen, indem wir auf die Meinungsbildung und Gesetzgebung einwirken, diese Chance sollten wir nutzen. Aber es sollte jedem klar sein, dass wir moeglicherweise bald einen Punkt erreichen, an dem das nicht mehr geht.

Im Grundgesetz, Artikel 20 steht: ''Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Und da steht auch: Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht moeglich ist.''

Vielleicht ist es an der Zeit, diese Rechte in Anspruch zu nehmen.

Unmodifizierte Weiterverbreitung explizit erwuenscht --Andreas Bogk.

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